11.04.16

Ein bisschen wie Waldheim mit Erwachsenen

Die Initiative „Hilfe auf dem Berg“ kümmert sich um rund 90 Flüchtlinge im Evangelischen Waldheim beim Esslinger Jägerhaus.

Weißenborn, Böhmerle, Diehl (v.l.) mit Flüchtlingen - Foto: URH

„Es ist ein bisschen wie eine große Waldheimfreizeit, nur mit jungen Männern statt mit Kindern“, sagt Sigrun Böhmler mit Blick auf die knapp 90 Flüchtlinge, die seit Anfang Februar im Evangelischen Waldheim beim Esslinger Jägerhaus ein Zuhause auf Zeit gefunden haben. Die Evangelische Gesamtkirchengemeinde Esslingen hat Teile des Gebäudes und Geländes bis Ende Juni als temporäre Erstunterkunft an den Landkreis Esslingen vermietet. Ein großer Helferkreis, zu dem neben Böhmler auch Volkart Diehl gehört, kümmert sich um die jungen Männer, überwiegend Syrer, Afghanen, Kurden und Iraner. Diehl wurde zum ehrenamtlichen Koordinator der vielfältigen Aktivitäten der Initiative „Hilfe auf dem Berg“ gewählt. Die rund 50 Ehrenamtlichen bieten Deutschkurse an, ein wöchentliches Begegnungscafé mit kleinem Programm, Filmabende, Sportmöglichkeiten, eine Holzwerkstatt und einen Spieletreff. Zudem finden kleinere Ausflüge in die nähere Umgebung statt und es wurde auch schon zusammen gekocht. Angelaufen ist auch die Fahrradwerkstatt und die Kleiderkammer ist dank des großen Fundus der Malteser, die die Sozialbetreuung im Waldheim übernommen haben, gut bestückt. Auch wenn es um Begleitung zu Behörden oder Ärzten geht, sind die Ehrenamtlichen zur Stelle. Und im Hintergrund wirken diejenigen, die sich um die Finanzen oder die Internetpräsenz www.hilfe-auf-dem-berg.de kümmern.

 


Ehrenamt ist Rückgrat der Flüchtlingsbetreuung

 

Für Dekan Bernd Weißenborn sind die Ehrenamtlichen das Rückgrat der Flüchtlingsbetreuung. „Es ist wunderbar, dass es gelungen ist, für das Waldheim so viele ehrenamtlich Engagierte zu gewinnen“, sagt er. „Es war die richtige Entscheidung, das Waldheim für Flüchtlinge zu öffnen, bis im Sommer wieder die Waldheimkinder kommen“, betont er. Die Räumlichkeiten und das Gelände hätten sich bewährt. Die Geflüchteten hätten hier wesentlich mehr Platz als in anderen Unterkünften und könnten die Freifläche nutzen. Dass diese Möglichkeit gut angenommen wird, sieht man: Überall sitzen junge Männer im Gespräch in der Sonne oder Kicken mit Bällen auf dem Bolzplatz.

 

Auch Sigrun Böhmler sieht das Waldheim als „absoluten Glücksfall“ für die Geflüchteten. Die fehlende Stadtnähe werde so nicht als Nachteil empfunden. Auch größere Reibereien oder Belästigungen gebe es nicht, so Böhmler. Weißenborn ist froh, dass sich anfängliche Befürchtungen von Bürgern nicht bestätigt haben. Menschen aus dem Stadtteil kommen gerne ins Waldheim und bringen ins Begegnungscafé oder zum Spieletreff zur Freude der Flüchtlinge oft auch ihre Kinder mit. „Es findet Begegnung statt“, berichtet Diehl.

 

16 Deutschkurse pro Woche


Um den Flüchtlingen den Alltag zu erleichtern und Struktur in den oft eintönigen Tag zu bringen, legen sich die Ehrenamtlichen kräftig ins Zeug. Vor allem die 16 Deutschkurse pro Woche sind beliebt, ja werden sogar eingefordert, sagt Böhmler. Sie ist wie viele der Unterrichtenden selbst ausgebildete Lehrerin und koordiniert die Kurse. „Manche nehmen an jedem Kurs teil, andere allerdings leider gar nicht.“ Erste Erfolge zeigen sich gleich dem, der das Waldheim betritt. Überall werden die Besucher mit „Guten Tag, wie geht es Ihnen?“ begrüßt.

 

Tatkräftige Hilfe aber auch viel Müll

 

„Wenn man ihnen freundlich begegnet, kommt viel Freundlichkeit zurück“, sagt Böhmler. Auch wenn tatkräftige Hilfe oder Dolmetscherdienste benötigt werden, sind die Flüchtlinge zur Stelle. „Sie packen gerne mit an“, betont Diehl. Manchmal müsse man den jungen Männern aber auch auf die Sprünge helfen: „Was mich ärgert ist der ganze Müll, den sie einfach liegen lassen, und dass es oft schmutzig ist“, sagt Böhmler. Dann trommelt sie einen Trupp zusammen, der stets bereitwillig die herumliegenden Plastikbecher, Tüten und anderen Müll aufsammelt oder die Flecken von verschütteten Getränken aufwischt.


Nicht immer leicht sei es für die Ehrenamtlichen, mit der Unverbindlichkeit zurechtzukommen, mit der Verabredungen behandelt würden, sagt Diehl. „Wenn Arzttermine anstehen, bibbere ich, ob derjenige auch wirklich pünktlich da ist.“ Insgesamt müsse man in der Flüchtlingsarbeit viel Geduld und Einfühlungsvermögen mitbringen. Andererseits sei es auch wichtig, sich persönlich nicht zu stark vereinnahmen zu lassen und durchzusetzen, dass Regeln eingehalten werden. „Klar zu sagen, das geht und das geht nicht, das muss man lernen“, weiß Diehl. Schwierig werde es für die Helfer, wenn sie bei den Problemen der Flüchtlinge nicht helfen könnten. Diehl kommen seine Erfahrungen aus dem Engagement in Zell zu Gute.


Die Ehrenamtlichen wissen auch, dass auf sie noch eine viel größere Herausforderung zukommt, wenn auf dem nahen CVJM-Gelände rund 300 Flüchtlinge  untergebracht werden. „Es ist wichtig, dass wir dafür jetzt Erfahrungen sammeln.“ Da ist es für Diehl beruhigend, dass neben den derzeit gut 50 Engagierten noch weitere 100 Frauen und Männer auf seiner Liste stehen.

 

Gesucht werden weitere Helfer und auch Fahrräder

 

Bereits jetzt sind weitere Mitstreiter willkommen. Vor allem in der Alltagsbegleitung werden noch Menschen gesucht, die sich engagieren wollen. Als Sachspenden wünscht sich die Initiative vor allem Fahrräder. Sie werden gegen einen geringen Preis an die Flüchtlinge ausgegeben.